In den vergangenen Jahren wurde immer wieder darüber diskutiert, in wieweit die Aufnahme von Lycopin vor Krebs schützen kann. Hier eine kurze Zusammenfassung zum derzeitigen „Stand der Dinge“.
Gerade die Schädigung unserer Zellen durch so genannte freie Radikale, scheint eine wichtige Rolle in der Krebsentstehung zu spielen. Einige Mikronährstoffe in unserer Nahrung, wie z.B. Carotinoide, Vitamin C und
Vitamin E können diese schädlichen freien Radikale abfangen (antioxidative Eigenschaft) und die Zellen so vor Schäden schützen. Auch Lycopin zeigt eine hohe Wirksamkeit gegen freie Radikale. Zusätzlich wird vermutet, dass Lycopin die Aktivität von Enzymen erhöht, die schädliche Substanzen in unserem Körper abbauen. Das heißt, der Pflanzenwirkstoff unterstützt unser körpereigenes Schutzsystem beim Entgiften. Außerdem wurde in verschiedenen Untersuchungen eine Beeinflussung des Zellzyklus und dem programmierten Zelltod, der so genannten Apoptose beobachtet.
Lycopin – was genau ist das denn?
Lycopin (auch Lycopen oder Leukopin) gehört zur Gruppe der so genannten Carotinoide. Dies sind die Inhaltsstoffe der Pflanzen, die für die gelb/rote Farbe von vielen Früchten und Gemüsen verantwortlich sind, so z.B. der Tomaten oder Karotten. Von allen Carotinoiden hat Lycopin das größte antioxidative Potenzial, kann also freie Radikale besonders gut abfangen. Es ist zum Beispiel in hoher Konzentration in Tomaten oder auch Früchten wie Hagebutten, Wassermelonen, Aprikosen etc. enthalten. Besonders gut verfügbar ist das Lycopin aus erhitztem Gemüse, wie beispielsweise in Tomatensuppe oder Nudel-Sauce. Durch den Erhitzungsvorgang werden die pflanzlichen Zellstrukturen aufgebrochen und das dort enthalte Lycopin kann austreten. Auch die Zugabe von Fett kann die Aufnahme von Lycopin zusätzlich positiv beeinflussen, denn wie alle Carotinoide ist auch Lycopin fettlöslich. Viele von Euch kennen dies sicherlich von Karotten: Auch hier wird die Zugabe von Fett, z.B. Olivenöl zum Salat oder Gemüse empfohlen, um die Aufnahme der fettlöslichen Inhaltsstoffe zu verbessern.
Lycopinkonzentration in Tomaten:
Reife Tomaten besitzen einen Lycopinanteil von ca. 3,9–5,6 mg pro 100 g Frucht. Wesentlich mehr Lycopin enthalten Dosentomaten mit ca. 10 mg pro 100 g, da sie meist erst in reifem Zustand geerntet werden. Konzentriertes Tomatenmark dagegen enthält sehr hohe Lycopinkonzentrationen von ca. 62 mg Lycopin pro 100 Gramm.
Lycopin in der Wissenschaft
Wie bereits zu Beginn erwähnt, war und ist Lycopin immer wieder Mittelpunkt wissenschaftlicher Studien. Leider mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich einer schützenden Wirkung vor bzw. bei Krebs.
Erste „in vitro“-Studien, also Untersuchungen an menschlichen Krebszellen im Reagenzglas, waren überaus erfolgreich. Lycopin zeigte dabei eine hohe antioxidative Wirkung. Daher ließ sich vermuten, dass der Pflanzenwirkstoff schädliche freie Radikale in unserem Körper abfangen und so unsere Zellen vor Schäden schützen kann.
Zusätzlich zeigten sich weitere Effekte: Lycopin kann die Teilung von Krebszellen verhindern und den Zelltod einleiten. Beobachtet wurden diese Befunde bei Prostatakrebs- sowie Lungenkrebs-, Leukämie- und Leberkrebszellen. Außerdem konnte der Tomatenwirkstoff eine Metastasierung der Tumorzellen verhindern. Wie gesagt, all dies zeigte sich an Krebszellen im Reagenzglas, nicht „am Menschen“ selbst.
Nach diesen vielversprechenden Ergebnissen in vitro, folgten weitere Untersuchungen in Humanstudien. Hier sind die Ergebnisse durchaus widersprüchlich, was oftmals durch das jeweilige Studiendesign oder andere vorliegende Störfaktoren begründet sein kann.
So führte ein systematischer Review von acht Studien zum Prostatakrebs durch Haseen im Jahre 2009 zu positiven Ergebnissen: In sechs Studien zeigte sich eine Abnahme des PSA-Spiegels unter Lycopinaufnahme (Prostatakrebszellen produzieren vermehrt PSA), auch konnte das Fortschreiten der Krebserkrankung beobachtet werden. Des Weiteren führte Lycopin zu einer Abnahme der tumorbedingten Symptome wie Schmerzen und andere Symptome der ableitenden Harnwege.
Im vergangenen Jahr wurde eine Studie zu Lycopin und Nierenkrebs veröffentlicht. Auch hier scheint es so, dass eine höhere Lycopin-Aufnahme mit einem geringeren Nierenkrebs-Risiko einhergeht. Werden die Daten der Personen die am meisten Lycopin zu sich genommen haben mit denen der Menschen verglichen, die wenig Lycopin gegessen haben, zeigt sich in der Gruppe mit der höchsten Aufnahme ein 45% geringeres Risiko an einem Nierenzellkarzinom zu erkranken.
Lungenkrebs: Auch hier gibt es Veröffentlichungen, die mehrere Studien zusammenfassen und auswerten. Werden die Ergebnisse von insgesamt neun Studien zur Lycopinaufnahme und dem Vorkommen von Lungenkrebs betrachtet zeigt sich ein Hinweis auf eine Reduktion des Lungenkrebsrisikos. Dieser Effekt ist allerdings nicht so stark ausgeprägt und daher in den Studien auch „statistisch nicht signifikant“. Andere Auswertungen sprechen wiederum von einer Risikoreduktion um fast 30%.
Unterschiedlichste Aussagen gibt es bisher bei Brustkrebs. Erste Studien zeigten auch hier gute Ergebnisse und eine krebshemmende Wirkung. In einer Unterstudie der Women’s Health Initiative war dann jedoch die erhöhte Aufnahme von Lycopin mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko verbunden (Kabat 2009). Die Auswertung der Nurses Health Studie mit über 100.000 Teilnehmern gab keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Brustkrebs und dem Verzehr von Lycopin – also weder positiv noch negativ.
Auch bei anderen Krebsarten wie Dickdarm, Endometrium oder Eierstockkrebs gibt es sehr unterschiedliche Ergebnisse.
Schlussfolgerung:
Tja, welche Schlussfolgerung kann nun aus diesen Daten gezogen werden? Sicherlich die, dass noch weitere „gut“ aufgebaute Studien zum Thema Lycopin angestrebt werden müssen. Derzeit ist nicht wirklich eindeutig geklärt, ob der Pflanzenwirkstoff nun eine krebshemmende und/oder krebsprotektive Wirkung zeigt.
Mein ganz persönliches Fazit: Die Einnahme von Lycopin als Nahrungsergänzung in Tablettenform ist nach derzeitigem Stand sicherlich nicht anzuraten. Auch eine übernatürlich überhöhte Aufnahme in Nahrungsmitteln würde ich nicht anstreben. Im Rahmen einer ausgewogenen und „bunten“ Ernährung werde ich aber auf jeden Fall in Zukunft etwas häufiger Lycopin-Lieferanten wie Tomaten, Aprikosen oder Papaya einbauen.
Quellen:
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AG Prio; Faktenblatt Lycopin;
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A. Heger, B. Jandl, F. Ferk, M. Misik, S. Knasmüller; Gesundheitliche Effekte von Lycopin; Wissenschaft und Praxis, Ernährung Ausgabe 34, 7/8-2012
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Haseen, F., et al.; Is there a benefit from lycopene supplementation in men with prostate cancer? A systematic review. Prostate Cancer Prostatic.Dis. 12.4 (2009): 325-32
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Dr. Jutta Hübner; Kompmentäre Onkologie, supportive Maßnahmen und evidenzbasierte Empfehlungen, Schattauer Verlag 2008