Updated on März 12, 2015
Krebserkrankung: Einfach nur Pech gehabt?
Vor Kurzem wurde in der Fachzeitschrift “Science” eine Studie von Vogelstein et al. veröffentlicht, die in der Fachwelt und den Medien hohe Wellen schlug. Daher möchte auch ich hier das Thema noch einmal aufgreifen.
“Variation in Cancer Incidence Among Tissues Can Be Explained By the Number of Stem Cell Divisions” (frei übersetzt: Unterschiedliche Krebs-Häufigkeit in verschieden Gewebearten erklärt sich durch die Höhe der Stammzell-Teilungsrate), so der wenig spektakuläre und für Viele gar unverständliche Titel der Veröffentlichung. Dies war also sicherlich nicht der Grund für den Medienrummel. Nein, es lag wohl eher an dem, was die Presse daraus gemacht hat. “Krebs ist nur Pech”, “Tumor oft Zufall” – so oder so ähnlich war es überall zu lesen. Doch ist Krebs wirklich nur unvermeidbares Pech? Jahrelang haben wir gehört, dass wir durch einen gesunden Lebensstil, mit ausgewogener Ernährung, regelmäßiger körperlicher Aktivität und einem normalen Körpergewicht eine Vielzahl an Krebsarten verhindern können. Trifft dies nun doch nicht zu?
Experten und Fachgesellschaften weltweit antworten hier mit einem ganz klaren: DOCH, natürlich ist es nicht egal, wie wir leben und uns verhalten, wissenschaftliche Studien haben dies in der Vergangenheit ganz klar dargestellt.
Doch wie ist die aktuelle Veröffentlichung dann einzuordnen? Das American Institute for Cancer Research hat dazu drei einfache Fragen aufgestellt, die sich jeder Leser stellen sollte:
1. Was ist wirklich neu hier?
Die Krebsforscher Bert Vogelstein und Christian Tomasetti der Johns Hopkins University in Baltimore, USA, stellten ein mathematisches (statistisches) Modell auf. Dabei haben sie zum einen beobachtet, wie oft Tumore in bestimmten Geweben auftreten. Zum anderen, wie häufig sich die Stammzellen in dem selben Gewebe im Laufe eines Lebens teilen. Diese beiden Größen stellten sie dann in einen einfachen mathematischen Zusammenhang: In Geweben, in denen sich Stammzellen besonders oft teilen, ist das Krebs-Risiko höher als dort, wo kaum Zellteilungen stattfinden.
Dies ist der Fachwelt jedoch nicht neu. Denn gerade bei Zellteilungen kann es zu den typischen Fehlern in unserem Erbgut kommen, die dann ein Tumorwachstum auslösen. Wissenschaftlern ist seit Jahrzehnten bekannt, dass zufällige Mutationen eine Rolle bei der Krebsentstehung spielen. Jedoch ist ihnen auch bewusst, dass diese Mutationen nur einen Faktor bei der Tumorbildung ausmachen – zusammen mit genetischen Veranlagungen, Lebensstil usw.
Der neue Ansatz von Vogelsetin und seinen Kollegen, die Zellteilungsrate und das Auftreten von Tumoren in Verbindung zu setzen ist sicherlich nicht falsch und kann eventuell erklären, warum manche Krebsarten (z.B. Blut-, Knochen- und Nervenkrebs) nicht mit bestimmten Lebensstil-Faktoren wie Ernährung, Gewicht und körperlicher Aktivität in Zusammenhang gebracht werden können.
Der “Fehler” – wenn man es so nennen will, lag in der Berichterstattung der Medien. Hier wurde immer von Krebs im allgemeinen gesprochen. Doch “den” einen Krebs gibt es einfach nicht. Krebs ist nicht gleich Krebs. Nein, es gibt vielzählige unterschiedliche Typen und Arten, die auch auf verschiedene Weise entstehen. Für manche Krebsarten scheint also die “Pech-These” durchaus plausibel, für andere trifft dies aber ganz und gar nicht zu.
2. Was ist überhaupt gemeint, wenn von “Krebs” die Rede ist?
Wissenschaftliche Studien der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass etwa 1/3 der häufigsten Krebsarten durch kleine Veränderungen im Lebensstil verhindert werden könnten. Was wir essen, wie viel wir uns bewegen und wie hoch unser Übergewicht ist, hat hier also durchaus Auswirkungen. Erweitert man diese Lebensstil-Faktoren noch um “Nicht-Rauchen” und nicht zu viel Sonne, wären tatsächlich fast die Hälfte aller Tumorerkrankungen vermeidbar.
Wichtig ist hier der Begriff “der häufigsten Krebsarten”. Bisher wurden klare Zusammenhänge zwischen Lebensstil und Krebs-Risiko für einige bestimmte Krebsarten gefunden, jedoch nicht für alle. Krebserkrankungen des Verdauungstraktes beispielsweise zeigen eine stark Verbindung zur Art und Weise wie wir leben, uns ernähren und wie oft wir uns bewegen.
Warum ist das wichtig? Fast die Hälfte der in der Vogelstein-Studie untersuchten Krebsarten waren solche, für die bisher kein Zusammenhang zum Lebensstil bekannt ist. Auch die beiden häufig auftretenden Krebsarten, Brust-und Prostatakrebs, wurden in der Studie nicht berücksichtigt. Langzeitbeobachtungen und ältere Studien konnten aber gerade für diese beiden Tumorarten einen Zusammenhang zum Lebensstil aufzeigen.
3. Wie ist das Fazit?
Um das Risiko einer Erkrankung an einer der häufigen Krebsarten, wie Brust-, Dickdarm-, Speiseröhre- und Prostatakrebs, zu senken, können Sie selbst, durch einen gesunden Lebensstil, aktiv werden. Das ist eine Tatsache und bleibt auch weiterhin so.
Klar, auch hier gibt es keine Garantie. Wenn es um Krebs geht, wird es diese wohl (leider) auch nie geben. Gerade wegen dieser “Zufälligkeit” die Vogelstein mit seiner Studie eindrucksvoll verdeutlicht hat. Kennen wir nicht alle Menschen, die alles “richtig” machen – gesund essen, täglich trainieren, ihr Gewicht im Griff haben, nicht rauchen und trotzdem Krebs bekommen? Diese Krankheit kann einfach jeden treffen.
Trotzdem sollten Sie nicht vergessen, dass es wissenschaftliche Beweise dafür gibt,
- dass Sie selbst dazu beitragen können, sich bestmöglichst vor einer Erkrankung zu schützen,
- dass Hunderttausende von Krebserkrankungen vermeidbar wären und
- dass ein gesunder Lebensstil, nicht nur den besten Schutz vor einer Krebserkrankung bieten kann, sondern auch vor Herzkrankheiten, Diabetes und vielen anderen Erkrankungen schützt.
Uff, ganz schön lang geworden dieser erste Beitrag – ich hoffe, er war trotzdem informativ.